Aktuell
Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden
Die Richter des Bundesarbeitsgerichts entschieden in ihrem Urteil v. 4.5.2022, dass ein Arbeitnehmer in der Begründung für die von ihm geleisteten Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darlegen muss, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.
Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.
Kategorie: Arbeitsrecht | Veröffentlicht am 6. Juli 2022
Angedrohte Erkrankung als Kündigungsgrund
Ein wichtiger Kündigungsgrund an sich – eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten – liegt unter anderem vor, wenn der Arbeitnehmer seine Interessen im Arbeitsverhältnis durch die rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen versucht. Vor diesem Hintergrund entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit seinem Urteil v. 21.7.2020 Folgendes:
Tritt der Arbeitnehmer einer Weisung des Arbeitgebers mit der Drohung entgegen, sich krankschreiben zu lassen, so rechtfertigt das im Grundsatz eine außerordentliche fristlose Kündigung. Unerheblich ist hierbei, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankt oder ob die Weisung rechtswidrig war, denn die kündigungsrelevante Nebenpflichtverletzung besteht in der Art und Weise des Vorgehens des Arbeitnehmers.
Kategorie: Arbeitsrecht | Veröffentlicht am 18. Februar 2021
Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bei betriebsbedingter Kündigung eines Stammarbeitnehmers
Die betriebsbedingte Kündigung von Stammarbeitnehmern ist wegen alternativer Beschäfti-gungsmöglichkeiten unwirksam, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer beschäftigt, mit denen er ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abdeckt. Dieses entschieden die Richter des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG) am 2.9.2020.
Den Richtern des LAG lag dazu folgender Sachverhalt vor: Ein Automobilzulieferer beschäftigte neben 106 Arbeitnehmern auch Leiharbeitnehmer. Weil ein Auftraggeber das Volumen seiner Autoproduktion reduzierte, sprach der Zulieferer wegen des dadurch bei ihm entstehenden Personalüberhangs fünf Stammarbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen aus. In den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigungen wurden sechs Leiharbeitnehmer fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen (etwa zum Jahresende oder während der Werksferien) im Betrieb eingesetzt.
Die Kündigungsschutzklagen hatten Erfolg. Die Richter führten in ihrer Begründung aus, dass die gekündigten Arbeitnehmer auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer hätten weiterbeschäftigt werden können. Diese sind als freie Arbeitsplätze anzusehen. Leiharbeitnehmer, die fortlaufend beschäftigt würden, sind nicht als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf im Unternehmen eingesetzt.
Kategorie: Arbeitsrecht | Veröffentlicht am 18. Februar 2021
Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit als Kündigungsgrund
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers nicht entsprechen sollte, ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Der Arbeitnehmer darf dem Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Nachteile androhen. Versucht er einen ihm nicht zustehenden Vorteil durch eine unzulässige Drohung zu erreichen, so verletzt er bereits hierdurch seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, die es verbietet, die andere Seite unzulässig unter Druck zu setzen.
Bei Ankündigung einer Krankschreibung im Falle einer objektiv nicht bestehenden Erkrankung liegt die Pflichtwidrigkeit im Zeitpunkt der Ankündigung in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, dass er notfalls bereit ist, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Dabei braucht die Drohung mit der Erkrankung bei Verweigerung des begehrten Urlaubs nicht unmittelbar zu erfolgen. Es kann ausreichend sein, wenn der Erklärende eine solche Äußerung im Zusammenhang mit seinem Urlaubswunsch stellt und ein verständiger Dritter dies nur als einen deutlichen Hinweis werten kann, bei einer Nichtgewährung des Urlaubs werde eine Krankschreibung erfolgen.
Durch die Pflichtverletzung wird das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit und Loyalität des Arbeitnehmers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt, sodass darin regelmäßig auch ohne vorausgehende Abmahnung ein die außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigender verhaltensbedingter Grund zur Kündigung liegt.
Kategorie: Arbeitsrecht | Veröffentlicht am 22. Juli 2016
Anrechnung von Sonderzahlungen auf den Mindestlohn
In einem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen, für die Praxis interessanten Fall sah der Arbeitsvertrag neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vor. Dazu schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Auszahlung der Jahressonderzahlungen. Das Unternehmen zahlte daraufhin allmonatlich neben dem Bruttogehalt je 1/12 des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds.
Wie schon zuvor das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 12.1.2016 entschieden hat, kam auch das BAG zu der Entscheidung, dass es sich bei den Sonderzahlungen um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung handelt, weshalb eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich ist.